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24.06.2024

Grundsteuer B nach dem Landesgrundsteuergesetz Baden-WÃŒrttemberg ist verfassungsmÀßig

Das Finanzgericht Baden-WÃŒrttemberg hat entschieden, dass das Landesgrundsteuergesetz vom 04.11.2020 verfassungsgemÀß ist. Die Revision gegen die Urteile an den Bundesfinanzhof wurde zugelassen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2018 die Vorschriften zur Einheitsbewertung, die bisher Grundlage fÃŒr die Bemessung der Grundsteuer waren, fÃŒr verfassungswidrig erklÀrt, weil die Einheitswerte der GrundstÃŒcke bezogen auf ihren Verkehrswert in ihrer Relation nicht realitÀts- und gleichheitsgerecht bemessen waren, sondern zu Wertverzerrungen gefÃŒhrt hatten. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Gesetzgeber auf, eine verfassungsgemÀße Neuregelung zu treffen. Der Landesgesetzgeber hat in der Folge durch das Gesetz zur Regelung einer Landesgrundsteuer (Landesgrundsteuergesetz) vom 4. November 2020 von seiner Möglichkeit, ein vom Grundsteuergesetz des Bundes abweichendes Landesgesetz zu erlassen, Gebrauch gemacht.

Das Landesgrundsteuergesetz unterwirft unter anderem das Grundvermögen der Grundsteuer (sog. Grundsteuer B). Der Grundsteuerwert der GrundstÌcke ermittelt sich durch Multiplikation der FlÀche des Grund und Bodens mit dem jeweiligen von den GutachterausschÌssen der Kommune festgesetzten Bodenrichtwert. Durch Multiplikation des Grundsteuerwerts mit der sog. Steuermesszahl (bei Ìblichen WohngrundstÌcken 0,91 Promille) wird der Grundsteuermessbetrag ermittelt, auf den sodann der von der jeweiligen Gemeinde festgelegte Hebesatz zur Berechnung der Grundsteuer angewandt wird. Gegen das Landesgrundsteuergesetz, vor allem gegen die Bemessung des Grundsteuerwerts, wurden von den KlÀgern in den beiden heute entschiedenen Musterverfahren zahlreiche verfassungsrechtliche EinwÀnde vorgetragen. Diese hat das Finanzgericht allesamt zurÌckgewiesen.

Nach Auffassung des Finanzgerichts ist es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar, dass der Landesgesetzgeber entgegen der bisherigen Einheitsbewertung und auch abweichend von den Neuregelungen sowohl im Bund als auch in anderen BundeslÀndern die Grundsteuer ausschließlich auf den Grund und Boden ohne BerÃŒcksichtigung der aufstehenden GebÀude erhebt. Der Gesetzgeber habe nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Auswahl des Steuergegenstands einen weiten Spielraum. Es sei deshalb zulÀssig, dass der Landesgesetzgeber nur den Grund und Boden eines GrundstÃŒcks mit Grundsteuer belaste und die GebÀude außer Acht lasse.

Das maßgebliche und verfassungsrechtlich zulÀssige Bemessungsziel beim Grundsteuerwert sei der Verkehrswert des Grund und Bodens. Im Verkehrswert bilde sich sowohl das durch die kommunale Infrastruktur beeinflusste Nutzenpotential des Grund und Bodens als auch die objektive LeistungsfÀhigkeit des EigentÃŒmers ab, denn es gelte: Je höher der mit dem Grund und Boden erzielbare Ertrag, desto höher der Verkehrswert und desto höher zugleich die objektive LeistungsfÀhigkeit des EigentÃŒmers.

Die Heranziehung der Bodenrichtwerte zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage sei folgerichtig, weil der von den GutachterausschÃŒssen mit Hilfe der Kaufpreissammlung abgeleitete Bodenrichtwert auf die Ermittlung des Verkehrswerts abziele und daher geeignet sei, die GrundstÃŒcke – wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert – im VerhÀltnis zueinander realitÀtsgerecht zu bewerten. Dass dadurch bislang in Form der Einheitsbewertung stark unterbewertete GrundstÃŒcke einer höheren Grundsteuer unterworfen wÃŒrden, sei Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und verfassungsrechtlich hinzunehmen.

Der Ansatz des Bodenrichtwerts einer Zone fÃŒr alle GrundstÃŒcke dieser Zone, ohne BerÃŒcksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls, sei verfassungsrechtlich zulÀssig, weil erstens jede Verkehrswertermittlung eine mit Ungenauigkeiten verbundene SchÀtzung sei und zweitens angesichts der großen Zahl zu bewertender GrundstÃŒcke – wie die alte Einheitsbewertung gezeigt habe – andernfalls die Gefahr eines unÃŒberwindlichen Verwaltungsaufwands der erforderlichen periodischen Aktualisierung der Werte entgegenstehen wÃŒrde. Der mit dieser pauschalen Regelung angestrebte Wertkorridor von plus/minus 30 % bezogen auf den Verkehrswert sei deshalb verfassungsrechtlich hinnehmbar und könne durch die sog. Öffnungsklausel, wonach die EigentÃŒmer im Einzelfall durch SachverstÀndigengutachten einen abweichenden Verkehrswert nachweisen könnten, auch in AusnahmefÀllen eingehalten werden.

Die Ermittlung der Bodenrichtwerte erfordere besondere fachliche Kenntnisse und OrtsnÀhe. Es sei deshalb mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz zu vereinbaren, dass den GutachterausschÃŒssen bei der Feststellung der Bodenrichtwerte ein Beurteilungsspielraum zuerkannt werde und die ÜberprÃŒfung durch die Finanzgerichte sich auf etwaige UnzulÀnglichkeiten bei der Sachverhaltsfeststellung, methodische Fehler und die Einhaltung der hierzu ergangenen gesetzlichen Vorschriften beschrÀnke.

Das öffentliche Interesse an der vom Bundesverfassungsgericht angeordneten Reform der Grundsteuer ÃŒberwiege das Interesse der GrundstÃŒckseigentÃŒmer an der Vorhersehbarkeit der Grundsteuerlast fÃŒr den Übergangszeitraum von der erstmaligen Feststellung der neuen Grundsteuerwerte durch die FinanzÀmter bis zur erstmaligen Festsetzung der Grundsteuer durch die Kommunen nach dem neuen Gesetz. Es sei deshalb hinzunehmen, dass die konkrete Höhe der Grundsteuer derzeit noch nicht beziffert werden kann, weil die Kommunen die ab 1. Januar 2025 geltenden HebesÀtze noch nicht bestimmt haben.

FG Baden-WÃŒrttemberg, Pressemitteilung vom 11.06.2024 zu den Urteilen 8 K 2368/22 und 8 K 1582/23 vom 11.06.2024